AZ Futuro: Geeignete Mitarbeiter aus Spanien
Erschienen in der Schwäbischen Zeitung / Lokales am
08.05.2014
AZ Futuro aus Tuttlingen
Tuttlingen schr - Aus einer Sprachreise wurde für Stefanie Hainick ein zweijähriger
Aufenhalt in Spanien. Zusammen mit ihrem Lebensgefährten Miguel Morales Dacal, der die spanische Staatsangehörigkeit besitzt, war sie aufgebrochen, um die Kultur und die Dialekte des Landes kennen zu
lernen. Weil es beiden gut gefiel, gründeten sei eine Firma, die Autos aus Deutschland importierte. Und dann erlebten sie den krisenbedingten Abstieg Spaniens hautnah mit. „Wir
sahen, wie Familien ihre Häuser verloren und hochqualifizierte Leute auf der Straße standen. Da war uns klar, dass wir etwas tun müssen.“ Also kehrten die beiden zurück und gründeten in Tuttlingen
mit AZ Futuro eine Vermittlung spanischer Fachkräfte an deutsche Unternehmen. Stefanie Hainick ist überwältigt vom Ansturm: „Wir werden von Bewerbungen aus Spanien geradezu überschüttet.
Manchmal sind es 20 bis 30 pro Tag.“ Der Fachkräftemangel in Deutschland biete den Südländern gute Chancen, die Leute seien äußerst motiviert und würden sich mit Deutschkursen noch in der Heimat
auf ihren Wechsel vorbereiten. Ein bisschen Erziehungsarbeit bleibt allerdings an Dacal und Hainick hängen. Am Anfang gab es mal einen Bewerber, der den deutschen Personalchef mit Vornamen ansprach –
wie es eben in Spanien üblich ist. „Das passiert jetzt nicht mehr.“ Auch an den Arbeitsbeginn um 7 oder 7.30 Uhr müssten sich die Neuankömmlinge erst gewöhnen. AZ Futuro ist keine Zeitarbeitsfirma,
sondern erhält eine Provision pro vermitteltem Arbeitnehmer. „Wir bieten auch Fachkräfte für den Schreiner von nebenan.“ Alle Bewerber würden entweder von Partnern in Spanien oder von Hainick und
Dacal selbst per Telefon oder Skype auf Herz und Nieren geprüft.
Trotzdem hoffen beide, dass die schwere Krise in Spanien bald ausgestanden ist. Potenzial für ihr Geschäftsmodell sehen sie auch danach noch. „In Spanien hat man oft nur geringe Aufstiegschancen
und verdient eher schlecht. Ein Ingenieur kommt auf 1600 Euro netto im Monat.“ Im Pflegebereich sieht Hainick ein großes Problem auf Deutschland zukommen. Bis 2017 fehlen ihrer Einschätzung nach
hierzulande rund 20000 Fachkräfte in diesem Bereich. „Diese Mitarbeiter finden wir nicht in Deutschland, aber in Spanien.“
Europas Jugendarbeitslosigkeit: Ein Milliardenpaket verpufft
In der Europäischen Währungsunion droht eine verlorene Generation heranzuwachsen. Derzeit sind 3,4 Millionen Menschen oder 23,6 Prozent aller jungen Erwerbspersonen unter 25 Jahren ohne reguläre
Beschäftigung. In Ländern wie Spanien ist sogar jeder zweite dieser Alterskohorte von Arbeitslosigkeit betroffen.
Das sind dramatische Zahlen. Denn wer erst einmal den Eintritt ins Berufsleben verpasst hat, trägt häufig ein Handicap für den Rest seiner erwerbsfähigen Zeit mit sich herum. Selbst bei gleicher
Qualifikation wird sich ein Personalchef stets für den Bewerber entscheiden, der bestenfalls keine oder eine kürzere Unterbrechung im Lebenslauf vorweisen kann, als jemand, der bereits eine
mehrjährige Warteschleife hinter sich hat.
Europas Politik hat die Brisanz der Jugendarbeitslosigkeit erkannt und will mit einem zweijährigen Förderpaket im Gesamtvolumen von 45 Milliarden Euro gegensteuern. Die Mittel sollen vorwiegend
aus dem Europäischen Sozialfonds aufgebracht werden. Das Fatale: Was sicherlich gut gemeint ist, ignoriert die typische Funktionsweise des Arbeitsmarkts.
Es ist nämlich erwiesen, dass sich die Arbeitslosenquoten der unter 25-Jährigen weitgehend im Gleichlauf zu den Gesamterwerbslosenzahlen entwickeln. Die Jugendarbeitslosigkeit zeigt lediglich über
den Konjunkturzyklus schärfere Auf- und Abwärtsbewegungen im Vergleich zur Gesamtarbeitslosigkeit. Der Grund: Unternehmen stoppen in der Regel ihre Neueinstellungen, wenn sich die Ertragslage
verschlechtert oder sie sogar Mitarbeiter entlassen müssen. Junge Nachwuchskräfte werden vor allem eher im reiferen Stadium eines Konjunkturzyklus rekrutiert. Also genau dann, wenn die Neueinstellung
von erfahreneren Fachkräften beginnt teuer zu werden und es betriebswirtschaftlich rentabel erscheint, in den eigenen Nachwuchs zu investieren.
Grundsätzlich helfen natürlich gute Ausbildungssysteme. Die duale Berufsausbildung in Deutschland ändert zwar nichts an der Grunddynamik des Gleichlaufs von Jugend- und Gesamtarbeitslosigkeit.
Aber sie ist mitursächlich für die hierzulande traditionell geringeren Jugendarbeitslosenquoten gegenüber denen bei unseren europäischen Nachbarn, die kein vergleichbares System. Also eigentlich alle
mit Ausnahme von Dänemark und Österreich.
Allerdings sind die Institutionen hinter diesen Systemen, beispielsweise die Qualitätskontrolle von Abschlüssen durch die Industrie- und Handelskammern, historisch gewachsen. Folglich lassen sich
diese nicht einfach mal auf die Schnelle anderswo nachbauen. Großbritannien muss diese schmerzliche Erfahrung gerade machen.
Zu befürchten ist, dass bei dem gut gemeinten europäischen Vorstoß zur Bekämpfung der Jugendarbeitslosigkeit letztlich nur das Parken in temporären Beschäftigungsmaßnahmen betrieben wird. Damit
kann man natürlich die Arbeitslosenzahlen nach unten „frisieren". Die Erfahrung lehrt aber, dass dies kaum weniger stigmatisierende Effekte bei potenziellen Arbeitgebern hat als eine längere
Warteschleife in der Arbeitslosigkeit.
Gut gemeint ist bei der Initiative gegen Jugendarbeitslosigkeit also noch lange nicht gut gemacht. Wirklich schnelle Abhilfe würde nur ein sehr dynamisches Wachstum und damit einhergehend ein
insgesamt besserer Arbeitsmarkt bringen.